195. Graf-von-Galen-Straße 12 (Maria Königin)

Denkmalumfang

Denkmalwert ist der gesamte Kirchenbau mit Turm einschließlich Verbindungsdach und Treppenanlage, ehemaliger Taufkapelle sowie mit seiner Erstausstattung. Zum Denkmalumfang gehört außerdem der höher gelegene Vorplatz vor dem Portal.

Ausgenommen vom Denkmalumfang sind die späteren Veränderungen und Ergänzungen im Innenraum, zu denen auch die 1962 errichtete Orgelempore gehört. Das nordwestlich des Kirchenbaus 1961/62 errichtete heutige Gemeindehaus ist ebenfalls nicht Teil des Denkmals.

Hintergründe:

Kurzüberblick zum Kirchenbau im Bistum Essen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts

Kriegszerstörungen, Bevölkerungswanderungen und -wachstum führten nach dem Zweiten Weltkrieg zu einem regelrechten Boom im Sakralbau der Bundesrepublik Deutschland. In Nordrhein-Westfalen ist der Bestand der Pfarrkirchen aus der Zeit nach 1945 im Rahmen des Projekts „Erkennen und Bewahren. Kirchenbau der Nachkriegszeit in Nordrhein-Westfalen“ systematisch erfasst worden und bildet eine der Grundlagen für die folgende Kurzdarstellung zum Kirchenbau nach 1945 im Bistum Essen. Das Bistum Essen bildet in Westfalen-Lippe insofern eine Besonderheit, als es erst am 1. Januar 1958 aus Teilen der Bistümer Köln, Münster und Paderborn gegründet wurde, wobei der Kölner Teil auf rheinischem Gebiet liegt.

Die Auswertung der Erfassungsdaten hat allerdings gezeigt, dass sich die Bistumsgründung nicht erkennbar in der Zahl der Neubauten widerspiegelt. Vielmehr liegt wie in den anderen Bistümern und Landeskirchen der Schwerpunkt der Kirchenbautätigkeit im Zeitraum vom Beginn der 1950er Jahre bis zum Beginn der 1970er Jahre. Anschließend nimmt die Bautätigkeit nicht zuletzt aufgrund schrumpfender Zahlen von Gottesdienstbesuchern deutlich ab. Mit der Bistumsgründung kommt es jedoch in den westfälischen Teilen zu einem deutlichen formalen Wandel der Kirchenarchitektur. So ist die erste Phase des Kirchenbaus bis zur Bistumsgründung von traditionsbestimmten Formen geprägt, wie sie im Bistum Münster und dem Erzbistum Paderborn in dieser Zeit vorherrschend waren. Ein großer Teil der Bauten aus dieser Zeit zitiert aus dem Repertoire historischer Architekturformen (Lochfassaden, Satteldächer, Segment- oder Rundbögen, Rosetten).

Vorherrschende Fassadenmaterialien sind Backstein, Naturstein und Putz. Die Innenräume sind in der Regel verputzt sowie in vielen Fällen mit flachen oder leicht gewölbten Holzdecken versehen. Es dominieren längliche Rechteckgrundrisse, in denen der Altar in einem mehr oder weniger stark separierten Altarraum oder in einer offenen und erhöhten Altarzone angeordnet ist, davor die aufgereihten Bänke für die Gläubigen mit Mittelgang. Parallel treten noch in der zweiten Hälfte der 1950er Jahren Variationen in Grundrissen und Bauformen auf. Traditionsbestimmte Motive werden mit neuartigen Elementen kombiniert, es entstehen gerasterte und großformatige Öffnungen, die teilweise auch eine Auflösung der Wände bedeuten.

Bei den Grundrissen herrschen bei diesen Bauten Einheitsräume vor, die keine Unterscheidung zwischen Chorraum und Gemeinderaum mehr vornehmen. Die meisten Architekten dieser Kirchenbauten hatten ihren Bürostandort im jeweiligen Bistum Münster bzw. Paderborn.

Nach der Bistumsgründung erfolgt eine starke Hinwendung zu Architekten, die im Erzbistum Köln bauten und die in der Fachwelt als Ideengeber und Neuerer galten. Die meisten Architekten – auch der Kirchen im westfälischen Bereich des neuen Bistums – hatten nun ihren Standort im Erzbistum Köln. Es entstanden zahlreiche Bauten, die neue Ideen im Bereich der Sakralarchitektur umsetzten. Das Beispiel des Bistums Essen zeigt sehr anschaulich den Einfluss der Kirchenbauverwaltungen, der Ursache dafür ist, dass die Entwicklung des Kirchenbaus nach 1945 in den untersuchten Bistümern und Landeskirchen nicht deckungsgleich abläuft.

Die 1960er und 1970er Jahre sind vor allem durch die Heterogenität der realisierten Sakralbauten gekennzeichnet. Formal prägend sind zunächst die sogenannten Gerüstbauten, bei denen das Material und insbesondere das tragende Stahlbetonskelett entwurfsbestimmend werden und großflächige Wandöffnungen und Verglasungen im Bereich der Füllflächen bzw. Fensterbänder ermöglichen. Gerüstbauten finden sich häufig um 1960 und in der ersten Hälfte der 1960er Jahre. Bei den Grundrissen finden sich bereits um 1960 neue, zentralisierende Entwürfe, meist ausgehend von Parabel-, Trapez- oder Ellipsenformen und parallel bzw. später regelmäßige Sechseck- und Achtecklösungen sowie polygonale Grundrisse und freie Formen.

Neue Vorstellungen vom liturgischen Geschehen, vor allem die durch das Zweite Vatikanische Konzil auch formal festgelegte Einbeziehung der Gläubigen in Form der „tätigen Teilnahme“ sowie die Aufwertung der Wortverkündigung, verändern zu etwa diesem Zeitpunkt auch die liturgische Konzeption: Der Altar wird in vielen Fällen in den Bereich der Gemeinde vorgezogen mit zwei- oder dreiseitiger Gestühlstellung bzw. steht mit Ambo, Priestersitz und Tabernakelstele in einer breit aufgespannten Altarzone vor einem leicht konzentrisch aufgestellten Gestühl.

Parallel zur Gerüstarchitektur entstehen Bauten, die erkennbar Zelt- oder Burgmotive umsetzen. Entwürfe lösen sich in Grundriss und Aufriss vom klassischen Schema von Dach und Wand sowie Wand und Öffnung. Gleichzeitig werden auch Baukörpers als freie skulpturale Formen realisiert mit häufig unkonventionell verwendeten Materialien und bemerkenswerten statischen Lösungen. Schon ab den 1960er Jahren tritt im Bistum als neuer Bautyp das Gemeindezentrum hinzu, das veränderte Vorstellungen einer aktiven christlichen Gemeinde umsetzen möchte.

Diese Bauten sind häufig demonstrativ zurückhaltend, verzichten auf Türme und weisen oft nicht-sakrale Bauformen auf. Der Kirchenraum wird zudem als veränderbarer Raum begriffen, der zu unterschiedlichen Anlässen vergrößert werden kann. Die wenigen ab den 1980er Jahren errichteten Kirchenbauten sind in vielen Bereichen durch einen weniger experimentellen Zugang gekennzeichnet.

Beschreibung des Denkmals

Kurzcharakteristik

Die Kirche St. Maria Königin wurde als freistehender, länglicher Baukörper mit Satteldach auf einer Anhöhe errichtet. Das Gebäude ist wirkungsvoll akzentuiert durch einen hoch aufragenden, über ein Dach verbundenen Campanile mit Pyramidendach. Über eine Treppenanlage steigt man zwischen Kirche und Turm von der Straße zum höher gelegenen Platz vor dem Eingang im Südwesten empor. Der verputzte Mauerwerksbau mit Natursteinsockel, Rundbogenfenstern, Rosette und Satteldach wurde in der für die erste Bauphase nach dem Zweiten Weltkrieg typischen traditionsbestimmten Formensprache errichtet.

Umgesetzt wurde der Bau als dreischiffige Stufenhalle (das Mittelschiff mit flacher Tonne, die Seitenschiffe überwölbt) auf rechteckiger Grundfläche mit separatem Chor und geradem Chorschluss. Vorgelagert ist dem Bau ein eingeschossiger Portalvorbau als Windfang sowie an der südöstlichen Ecke im Bauverband eine runde Taufkapelle mit ungewöhnlicher verglaster Laterne. Im Nordosten besitzt der Baukörper eine zweigeschossige Erweiterung unter abgeschlepptem Satteldach, in deren Erdgeschoss sich die Sakristei befindet und deren obere Ebene ursprünglich Orgel- und Sängerempore war. Als Nebeneingang ist der Kirche ferner im Nordosten ein eingeschossiger Natursteinbau mit Satteldach vorgelagert.

Historische Entstehungsbedingungen

Der Zuzug von Ostflüchtlingen nach dem Zweiten Weltkrieg führte zu einem starken Wachstum der Lüdenscheider katholischen Kirchengemeinde St. Josef und Medardus. Als Folge entschloss man sich zur Einrichtung neuer Pfarrgemeinden in den Neubaugebieten. Als ersten neuen Pfarrbezirk plante man Maria Königin im Westteil von Lüdenscheid mit den Neubaugebieten Wehberg und Lösenbach. 1952 erwarb die Muttergemeinde ein Grundstück auf dem Schättekopf, und es gründete sich ein Kirchbauverein. Es vergingen allerdings noch etwa zwei Jahre vor allem mit der Klärung finanzieller Frage bis die 1954 vom Architekten Westermeier begonnenen Planungen umgesetzt werden konnten. Zu einer eigenen Pfarrei wurde Maria Königin nach Fertigstellung der Kirche im Jahr 1958 erhoben.

Bezug zum Stadtraum

Die Kirche ist durch ihre Lage auf einer Anhöhe und ihren sehr hohen Turm eine städtebauliche Dominante in einem Umfeld aus vor allem zwei- bis dreigeschossigen Siedlungsbauten der Nachkriegszeit. Der Turm wirkt überdies als in der Landschaft.

Umgebungsgestaltung

Die nordwestliche Fassade der Kirche und der Campanile bilden zusammen mit dem gegenüberliegenden Gemeindehaus einen unteren, seitlichen Platz, über dem sich die Kirche bestimmend erhebt. Auf Niveau dieses seitlichen Platzes befindet sich dabei die durch die Natursteinverblendung ausgewiesene Sockelzone (Untergeschoss). Erhöht vor dem Hauptportal der Kirche liegt ein zweiter Platz, der eigentliche Vorplatz der Kirche im Südwesten, zu dem man über eine zwischen Turm und Kirchenraum angeordnete repräsentative Treppe vom seitlichen Platz emporsteigt. Bei diesem Vorplatz, der sich jenseits des überdachten Durchgangs zwischen Turm und Kirche vor der Giebelseite der Kirche erstreckt, handelt es sich ebenfalls um eine großzügige gepflasterte Fläche (Waschbeton). Die Platzfläche lässt die drei Baukörper Turm, Schiff mit Portalbau und Taufkapelle als differenzierte Gruppe zur Wirkung kommen lässt.

Altarzone

Die Altarzone befindet sich in einem Chorraum, der durch beidseitige Wandvorsprünge baulich vom Kirchenschiff abgesetzt ist (die Deckengestaltung läuft einheitlich durch). Der Chorraum ist gegenüber dem Kirchenraum zudem um sechs Stufen erhöht und durch die seitliche Belichtung durch eine Gruppe aus fünf fast raumhohen Rundbogenfenstern akzentuiert. Der Altar mit dem darauf befindlichen Tabernakel war ursprünglich um drei weitere Stufen erhöht in einer rundbogigen Nische in der Stirnwand angeordnet. Heute ist er weiter in den Chorraum vorgezogen aufgestellt. Die Kanzel ist als Wandkanzel mit Baldachin in die nördliche Scheidewand von Schiff und Chorraum eingebaut und von hinten zugänglich.

 

Denkmalwertbegründung

Die Kirche St. Maria Königin ist denkmalwert, weil sie bedeutend für die Geschichte des Menschen, hier der Menschen in Lüdenscheid ist. Sie ist Bezugspunkt des umliegenden Wohnviertels. Kirche und Nebenbau bilden ein funktionales kirchliches Zentrum im Siedlungszusammenhang. Gleichzeitig legt der Kirchenbau Zeugnis ab vom Wachstum der Stadt Lüdenscheid durch den Zuzug von Ostflüchtlingen nach dem Zweiten Weltkrieg, der sich in der Neugründung katholischer Pfarreien in den neuen Siedlungsgebieten zeigte.

Für die Erhaltung und Nutzung sprechen wissenschaftliche Gründe, hier vorrangig die architekturgeschichtliche Bedeutung des Gebäudes. So legt St. Maria Königin anschaulich Zeugnis ab von den allgemein traditionsbestimmten Bauformen, wie sie im Erzbistum Paderborn zur Planungszeit der Kirche Mitte der 1950er Jahre vorherrschend waren (Kubatur, Natursteinsockel, Verwendung von Rundbögen etc.). Kombiniert sind diese Elemente mit einigen neuen Architekturelementen wie der Taufkapelle mit Flachdach und verglaster Laterne in Gestalt eines Glaszylinders oder der gegliederten Decke im Innenraum.

Der Bau bildet auch insofern besonders eindrücklich die zeitgenössische Baupolitik im Erzbistum ab, als u. a. die ursprünglich vorgesehene großflächige segmentbogige und gerasterte Fensterfläche oberhalb des Portals nach Abstimmung mit der Erzbischöflichen Verwaltung zugunsten einer traditionelleren Gestaltung mit Rosette aufgegeben wurde. Beim Innenraum handelt es sich um einen Längsraum mit segmentbogiger Holzdecke, der durch die nur wandscheibenartigen Abtrennungen zu den gewölbten Seitenschiffen und zum Altarraum große Leichtigkeit erhält, die bei vergleichbaren traditionsorientierten Bauten eher selten ist. Der Bau dokumentiert damit, dass die traditionelle Architektur im Kirchenbau der 1950er Jahre durchaus mit der leichten und dynamischen Formensprache des Jahrzehnts in fruchtbarer Wechselwirkung stand.

Trotz einiger – teils reversibler – Eingriffe ist der Bau vergleichsweise gut überliefert und in seiner ursprünglichen Konzeption ablesbar. So sind neben der grundlegenden Raumdisposition auch prägende Ausstattungselemente wie die zeittypischen Verglasungen und Altar und Kanzel mit Teilen der ursprünglichen Stufenanlage sowie Taufstein erhalten.

Ferner liegen religionsgeschichtliche Gründe für die Erhaltung und Nutzung vor, da der Kirchenbau zu den wenigen Beispielen in Westfalen-Lippe gehört, bei denen zur Aufwertung des Taufsakraments die Taufe als eigenständiger Baukörper und mit der verglasten Laterne in auffälliger Gestaltung vorgestellt ist. Die Kirche besitzt zudem eine der wenigen erhaltenen vorkonziliaren Kanzeln, die mit der in diesem Bereich bauzeitlich überlieferten Stufenanlage besonders anschaulich Zeugnis von der originalen Raumgliederung ablegt.

Darüber hinaus liegen künstlerische Gründe im Bereich der Ausstattung vor. Die Kirche besitzt eine bauzeitliche Verglasung nach einheitlichem Entwurf von Herbert Bienhaus. Maria Königin legt Zeugnis über das Spätwerk dieses ursprünglich aus Lüdenscheid stammenden Glaskünstlers ab und weist eine für diese Zeit typische Kombination von abstrakt gestalteten Flächen und einzelnen, mit stark abstrahierenden Figurendarstellungen entworfenen Fenstern (Chor, Rosette) in zeitgemäßer Farbigkeit auf. Insofern besitzt die Verglasung großen Zeugniswert für die Glasmalerei der Zeit. Ebenso sind Altar, Taufstein, Kanzel und Weihwasserbecken von Vögele in ihrer massiven Erscheinung, die mit weichen runden Formen verbunden ist, zeittypische Gestaltungen der 1950er Jahre.

Außerdem sprechen städtebauliche Gründe für die Erhaltung und Nutzung der Kirche. Der hohe Campanile bildet eine städtebauliche Dominante und ist eine bewusste Akzentsetzung im umgebenden Stadt- und Landschaftsraum. Die Kirche, die als Teil einer Siedlung mit zwei- bis dreigeschossigen Bauten in aufgelockerten Grünbereichen entstanden ist, ist überdies durch ihre Lage auf einer Anhöhe im Nahraum wirksam.